Alina Reh läuft auf dem Trainingsgelände des Leistungszentrums Kienbaum ihre Runden, immer unter wachsamen Augen ihres Trainers Andre Höhne. Mit verschränkten Armen beobachtet er haargenau seinen Schützling. Alina kommt von einem 200 Meter-Sprint zurück und schaut ihn fragend an. Er sieht auf seine Uhr und beäugt sie kritisch. „War das Wettkampfgeschwindigkeit?“ Er lacht. Sie grinst breit und macht sich bereit für die nächsten 200 Meter. Herausforderung angenommen.

Eigentlich sollte Alina jetzt ganz woanders sein, in einem Trainingslager in Südafrika, mitten in der Wettkampfsaison, doch es herrscht Umbruchstimmung bei Alina Reh (SSV Ulm 1846). Angefangen mit ihrem Trainer, denn seit Anfang des Jahres wird sie nicht mehr von Jürgen Austin-Kerl betreut, sondern trainiert mit dem ehemaligen Geher aus Berlin. Aufgrund familiärer Verpflichtungen konnte Austin-Kerl der 23-Jährigen nicht mehr in dem gewohnten und gewollten Umfang zur Verfügung stehen, wie sie es benötigt hätte. Andre Höhne betreute sie bereits kurzzeitig bei den Weltmeisterschaften in Doha 2019. Schon Ende des letzten Jahres fuhren sie für zehn Tage gemeinsam ins Skilager im Allgäu, gefolgt von einem Trainingslager in Südafrika. Vor allem die ersten Monate arbeiten die beiden eng zusammen. Alina lernt die neuen Trainingsreize kennen, ist kaum zuhause. Das Team Reh/Höhne beginnt, sich einzupendeln.

Neuer Trainer, neue Wege, neue Erfolge

Doch dann kommt Corona. Die Pandemie hat die gemeinsame Jahresplanung der beiden ordentlich durcheinandergebracht. Im Februar lief die 5-fache deutsche Meisterin noch einen Halbmarathon in Barcelona und belegte den 6. Platz. Das Trainingslager in Südafrika im März musste abgebrochen werden. Innerhalb eines Tages ging es mit dem Flieger zurück nach Deutschland. Zu einem kompletten Stillstand kam es nicht, denn auch in dieser Zeit lief Alina einfach weiter. Immer in Bewegung quasi. Dieses Privileg war der Läuferin gegeben. Auch jetzt finden die meisten Trainingseinheiten im Freien statt.

Doch momentan sei es sehr schwer zu planen, wann oder wie es „normal“ weitergeht. Man hoffe auf jeden Wettkampf, den man wahrnehmen kann und plant von Woche zu Woche. Auch das große Ziel von Alina, die Olympischen Spiele in Tokio, wurden um ein Jahr verschoben. Für Alina wäre es dieses Jahr der erste Auftritt auf olympischer Bühne gewesen. Doch ein bisschen Olympiafeeling gibt es trotzdem, zumindest wenn es um die Vorbereitung geht. Es müssen neue Wege gefunden werden.

„Wir ziehen das Jahr so durch, als wären die Olympischen Spiele“, so Andre Höhne. Auch Alina nimmt die Sache locker. Es habe den Druck etwas raus genommen. „Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und ich hoffe, dass der Traum von Olympia nächstes Jahr Realität wird“, sagt sie und lächelt verschmitzt. „Wenn ich an der Startlinie stehe, dann will ich 100% geben, aber ich will mir zum Schluss nichts vorwerfen wollen.“

Im Moment trainiert Alina Reh mit ihrer Trainingsgruppe im Leistungszentrum in Kienbaum. Nach den ersten Tagen hat sie sich bereits gut eingelebt, und zahlreiche gemeinsame Einheiten absolviert. „Es ist toll sich mit Gleichaltrigen über den Sport auszutauschen.“ Die Stimmung ist gut und ausgelassen. Keiner lässt sich durch Corona die Stimmung vermiesen.

Aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Alina und Andre gemeinsam eine Trainingseinheit absolvieren. Normalerweise verläuft das Training etwas anders, denn eigentlich trennen knapp 600 Kilometer die beiden. Während ihr Trainer in Berlin ansässig ist, stammt die Athletin aus Laichingen und startet auch heute noch für den SSV Ulm 1846 in Baden-Württemberg. Doch die räumliche Distanz scheint die beiden nur noch mehr zusammenzuschweißen. „Ich war am Anfang etwas skeptisch, da ich nie ein „Satellitenathlet sein wollte, aber wir telefonieren jeden Tag und tauschen uns aus“, so das Langstrecken-Ass über die Leistungsanalysen mit ihrem Trainer. Zuhause im heimischen Laichingen macht Alina ihre Einheiten, führt Trainingstagebuch und absolviert Läufe unter Wettkampfbedingungen. Sie läuft ganz alleine auf einer leeren Bahn gegen eine tickende Uhr.

Zuletzt lief die Süddeutsche ihre Paradestrecke von 5000 Metern in 15 Minuten und 18 Sekunden. Eine Topleistung! Und auch über die doppelte Distanz läuft es für Alina Reh. Beim „Berlin 10k Invitational“ stürmt die 23-jährige zu einer Zeit von 31:26 Minuten und verpasst ihre eigene Bestzeit nur um 3 Sekunden. „Sie ist eine Kämpferin und macht keine Kompromisse. Darauf kommt es an.“ Andre Höhne lobt den Biss seines Schützlings und ist begeistert von ihr. Bis es soweit ist, gilt es, weiter an der Stabilität und Konstanz zu arbeiten. Dennoch will sie von Tag zu Tag besser werden. Schneller werden. Andre holt das Beste aus ihr heraus.

Derweil macht sich Alina bereit für einen weiteren Durchlauf der 200 Meter. Sie läuft, ist wie in einem Tunnel. Fokussiert. Als sie zurückkommt, sieht sie Andre fragend an. Er grinst. „Der Durchgang war besser als der letzte.“ Sie lächelt erfreut, geht und macht sich gleich bereit für die nächsten 200 Meter.

Text: Katrin Brewka

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